Stuttgarter Zeitung über das Karls-Gymnasium Stuttgart | Humanistisches Gymnasium mit Hochbegabtenzug

Hochbegabte langweilen sich im Karls-Gymnasium nicht

Die humanistische Anstalt feiert 125-jähriges Bestehen – Eliteförderung und Regelklassen bestehen nebeneinander.

Jubiläum am Karls-Gymnasium: gefeiert werden 125 Jahre humanistische Bildung, aber auch das gedeihliche Miteinander von normalen und hochbegabten Gymnasiasten. Denn auch die Eliteförderung hat hier bereits Tradition. Die Schule kann sich vor Anmeldungen kaum retten.

Nicht ohne Stolz blickt man am Karls-Gymnasium auf die eigenen humanistischen Wurzeln und auf so prominente Schüler wie Eugen Bolz, Carlo Schmid oder Rolf Thieringer zurück. Stammt die Schule doch, wie auch das Eberhard-Ludwigs-Gymnasium, direkt vom „Gymnasium illustre“ ab. Das hatte schon damals so viel Zulauf von Kindern, die Latein und Griechisch lernen sollten, dass 1881 eine zweite humanistische Schule gegründet wurde: das Karls-Gymnasium. Den Namen erhielt es höchstselbst vom dritten württembergischen König Karl.

550 Schüler besuchten die Schule, die erst im alten Polytechnikum in der unteren Königstraße sowie im Mäntlerschen Haus gegenüber der Stiftskirche angesiedelt war, bevor kurz darauf das Gebäude an der Tübinger Straße 38 bezogen werden konnte. Die Schule blieb vom Bombenhagel verschont – und ist bis heute dort untergebracht.

Heute sind es übrigens kaum weniger Schüler, nämlich 498. Allerdings haben die wenigsten von ihnen einen Schulweg, den sie zu Fuß bewältigen können. Viele kommen aus Orten, die gerade noch mit der S-Bahn zu erreichen sind. Und das hat mehrere Gründe. Erstens wohnen gar nicht mehr so viele Familien in der Innenstadt, und die Konkurrenz der Innenstadtgymnasien ist groß. Zweitens bietet das Karls-Gymnasium ein Profil, das in seiner Art einzigartig ist.

Einerseits Latein und Griechisch, andererseits Mathematik und Naturwissenschaften: das sind von jeher die Schwerpunkte – und die ziehen auch heute noch. Doch inzwischen bietet das Gymnasium längst auch moderne Fremdsprachen an: Englisch in Klasse fünf zusätzlich und Französisch in Klasse 8 wahlweise statt Griechisch. Wem das noch nicht genügt, der kann in der neunten Klasse noch zusätzlich Spanisch lernen.

Ins „KG“ kommen auch viele Kinder, denen das normale Programm noch zu wenig Futter bietet. Seit 1991 bietet die Schule Spezialklassen für Hochbegabte an, die zunächst als Eliteklassen sehr kritisch beäugt wurden. Seit 2002 gibt es den so genannten G8-plus-Zug, der sich durch ein höheres Lerntempo und mehr Stoff auszeichnet, jedoch ohne zusätzliche Stunden auskommt. Das Besondere daran ist das Fach Mensch und Natur, das von einem Lehrerteam unterrichtet wird, bestehend aus einem Geistes- und einem Naturwissenschaftler. So lernen die Schüler nicht nur aus lateinischen Schriften etwas über die Römer und ihre Heizungen, sondern bauen sie auch gleich nach.

Dieses Modell ist so beliebt, dass es jetzt auch in den Hochbegabtenzug übernommen wurde, den die Schule seit diesem Schuljahr anbietet, als eines von vier landesweiten Pilotprojekten. Doch von 66 Bewerbern bestanden nur 40 den IQ-Test, 27 nahm das Gymnasium auf. Schulleiter Dieter Elsässer betont zwar: „Wir sind eine Schule für ganz normale Schüler.“ Denn es gebe ja in der Jahrgangsstufe fünf auch zwei Regelklassen. Doch die Altersspanne ist hier an vielen Klassen größer als an anderen Schulen. So ist der jüngste Fünftklässler gerade mal sieben Jahre alt, und mancher Abiturient absolviert die Reifeprüfung mit 15 Jahren. Ein Lehrer berichtet, dass rund ein Drittel seiner Schüler mindestens eine Klasse übersprungen habe.

Unter den Schülern selbst werden Vorbehalte gegen die Käpsele durch gemeinsame Schullandheime, Projekte und Brettspielnachmittage rasch abgebaut, berichtet der Schülersprecher Rainer Hawlik. Das gefällt auch den Eltern. Die Schule sei „kein abgehobenes Hochbegabtengymnasium“, betont die Elternbeiratsvorsitzende Christine Heinkele. Und noch etwas kommt gut an. Unterrichtsausfall, erklärt Elsässer, gebe es praktisch nicht.

Inge Jacobs, Stuttgarter Zeitung vom 11. Oktober 2006